Music Freedom Day: Berauscht vom Klang der Kulturen
Von Arne Schenk [29.03.2016, 19.33 Uhr]

„Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin richtig berauscht“, bekundete Dr. Nicole Hilbrandt vom Verein Kultur ohne Grenzen nach dem musikalischen Vortrag des Bandarsi Trance Duos. So ging es wohl vielen der Gäste auf dem „Music Freedom Day“, den der Verein im Jülicher Kulturbahnhof ausrichtete. Den atemberaubenden exotischen Klängen ließ es sich nur schwer entziehen.

Mariana Sadovska mit Bassem Hawar und Kamil Abbas (von rechts) bei ihrer Zugabe.

Mariana Sadovska mit Bassem Hawar und Kamil Abbas (von rechts) bei ihrer Zugabe.

Aus Ägypten, dem Iran, Irak, Syrien, Spanien, der Ukraine, Türkei und Deutschland kamen die Künstler, die sich auf der Bühne in der Halle die Ehre gaben. Schon lange hatte Marijke Barkhoff-Freeling, 1. Vorsitzende von Kultur ohne Grenzen, vorgehabt, sich am weltweit stattfindenden „Music Freedom Day“ zu beteiligten, allerdings fehlten bislang die finanziellen Kapazitäten.

Ermöglicht wurde diese Teilnahme nun durch die Auszeichnung mit dem 2. Preis beim Deutschen Bürgerpreis. „Solche Fackeln brauchen wir in unruhigen Zeiten“, betonte Landrat Wolfgang Spelthahn. Menschen, die nicht nur lamentieren, sondern anpacken – und dies nicht nur als eintägiges Engagement. Vielmehr bemühe sich Kultur ohne Grenzen bereits seit 16 Jahren um die Begegnung völlig unterschiedlicher Kulturen.

Die Musik sei ein wunderbares Ausdrucksmittel, um Integration stattfinden zu lassen, ergänzte Schirmherr Reinhard Knoll, Präsident des Landesmusikrats NRW. Deswegen würden dringend praktische Beispiele benötigt. Sein Anliegen sei es, dass es weniger Grenzen gebe und er wünsche sich, dass dies in viele Köpfe reinginge.

Wie es funktionieren kann, bewiesen die Künstler auf der Kuba-Bühne – mit Erfolg. Bereits an der Eingangstüre verhieß ein Schild, dass keine weiteren Besucher zugelassen werden dürften: „Alle Plätze besetzt!“ Darunter ein trauriges Emoticon. In der Halle schien die Stimmung hingegen trotz durchgehender Bestuhlung ungewöhnlich ausgelassen.

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Marijke Barkhoff-Freeling (rechts) wurde auf der Bühne gefeiert.

Marijke Barkhoff-Freeling (rechts) wurde auf der Bühne gefeiert.

Vom iranischen Bandarsi Trance Duo zum Klatschen aufgefordert, denn ihre Musik sei eigentliche für den Tanz und die Bewegung gedacht, kamen viele Zuhörer dem gerne nach. Gleichzeitig feierten sie dabei Neujahr, denn an diesem Tag, eben mit dem Frühling begann für die Iraner wie auch die Kurden das Jahr 1395.

Wogend mit fließenden Arrangements wie die Wellen im Mittelmeer entwickelte der Ägypter Hossam Shaker die Melodien auf der Kanun, einer orientalischen Zither, unterstützt vom akzentuierten Spiel seines Percussionisten Sven von Samson als Ra7alla Duo. Auf ähnlichem Terrain bewegten sich als Sidare Duo der Iraker Saad Thamir und der Syrer Hesen Kanjo ebenfalls mit Kanun und Percussion, aber sich zwischen volkstümlichen Liedern und konzertanter Artistik bewegend.

Zwischen den Flamenco-Gitarren des Spaniers Ismael Alcalde und des Deutschen Merlin Grote platzierte sich nicht nur optisch der Iraker Bassem Hawar mit seiner Djoze, einer Art Kniegeige. Auch soundtechnisch umtänzelten die Melodien und Akkorde der Sechssaiter im Stereogefüge und zuweilen als Frage und Antwortspiel links und rechts verteilt die erzählerische Gewalt der Djoze.

Dem Frühling wiederum widmete sich der letzte Programmpunkt, Mariana Sadovska aus der Ukraine. Mit unnachahmlicher Stimme und sich selbst an dem indischen Harmonium begleitend zog sie das Publikum in den Bann und sang von entfesselten Frauen, Bären, Vögeln und lehrte, wie mit lang gezogener Stimme bis zum Horizont und dann zum Himmel hinauf der Lenz herbeigerufen werden muss. Zur Zugabe bat sie Bassem Hawar und Kamil Abbas aus der Türkei auf das Podium, um ein Lied für die Menschen, „die zuhause verlassen müssen“, anzustimmen.

Über die Bühne hinaus warf der Verein auch einen Blick in die nahe Zukunft, nämlich auf die kommende Veranstaltung am Sonntag, 24. April, bei der Volkshochschule (VHS) Jülich in der ehemaligen Realschule am Aachener Tor. Dann stehen Geschichte und Kultur der Kurden „Zwischen den Stühlen?“ mit Prof. Dr. Moritz Mihatsch von der British University Cairo, und Kamiran Hudsch, Dozent an der Universität Bochum, auf dem Programm. So sollte Kultur sein, eben grenzenlos.


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