Jülicher Fachhochschule mit Forschungsteam in der Nordsee unterwegs

Labor auf der rollenden See
Von Arne Schenk [29.03.2005, 22.09 Uhr]

Am Förderband sortieren die Studenten Linus Neikes, Sascha Gottlieb, Maria Herberg, Jens Fischer, Karin Schlottbom und Johanna Olownia (v.l.n.r.) den Fang.

Am Förderband sortieren die Studenten Linus Neikes, Sascha Gottlieb, Maria Herberg, Jens Fischer, Karin Schlottbom und Johanna Olownia (v.l.n.r.) den Fang.

Das Meer ist weit, das Meer ist blau, im Wasser schwimmt kein Kabeljau.“ Was bei Heinz Erhardt humoristisch gemeint war, erhält im Jahr 2005 eine dramatische Komponente. „Es ist erschreckend. Es gibt in der Nordsee so gut wie keinen Kabeljau mehr. Die Bestände sind bedrohlich zusammengeschrumpft infolge der Überfischung.“ Prof. Dr. Marcus Baumann weiß, wovon er spricht, denn der Umweltbiotechnologe hat selbst mit einem Stab von sieben Studenten der FH und drei Vertreter der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, Institut für Fischereiökologie, Hamburg das aktuelle Fischvorkommen in der Nordsee untersucht.

„In erster Linie haben wir Plattfische wie Kliesche und Scholle gefunden, ansonsten den Knurrhahn, Seeteufel, Garnelen, Seesterne, die Seemaus und einmal eine Rochen, aber nur sieben Kabeljau.“ Dabei war diese Untersuchung nur einer von fünf Schwerpunkten der Reise, die der 49-Jährige auf seiner dritten Tour im Auftrag der Fachhochschule Abteilung Jülich unternahm. Allerdings ist Professor Baumann auf diesem Gebiet ein alter Seehase, war er bereits als Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven zwischen 1989 und 1996 viermal in der Arktis und dreimal in der Antarktis.

Aufgrund der alten Kontakte in der Hafenstadt startete die Truppe von dort am 23. Februar auf dem Forschungsschiff FFS Walther Herwig III zunächst an der schleswig-holsteinischen Küste gen Dänemark hinauf und dann in südwestlicher Richtung an der niederländischen Küste bis in den Ausläufer des Ärmelkanals und zurück gen Bremerhaven. Bis auf eine Studentin waren alle das erste Mal an Bord mit Baumann.

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Die wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer der Reise 272 mit Walther Herwig III: Prof. Dr. Marcus Baumann, Johanna Olownia, Christof Wickel, Maria Herberg, Karin Schlottbom (Hintere Reihe v.l.n.r.) sowie Dipl. Ing. Jens Fischer, Thomas Tepperies, Manfred Trenk, Michael Naggert, Linus Neikes, Dipl.-Biol. Michael Vobach (vorne v.l.n.r.)

Die wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer der Reise 272 mit Walther Herwig III: Prof. Dr. Marcus Baumann, Johanna Olownia, Christof Wickel, Maria Herberg, Karin Schlottbom (Hintere Reihe v.l.n.r.) sowie Dipl. Ing. Jens Fischer, Thomas Tepperies, Manfred Trenk, Michael Naggert, Linus Neikes, Dipl.-Biol. Michael Vobach (vorne v.l.n.r.)

Dabei galt es zunächst, sich mit den äußeren Umständen zurechtzufinden, denn die Seekrankheit schlug unbarmherzig zu. „Wir fuhren bei sieben bis acht Windstärken, Orkanböen in der Nacht,“ erinnert sich der Biologe. „Da muss man sich erst einmal einschaukeln.“ Er hat sich dazu früh ins Bett gelegt und war infolge dessen früh fit. Schließlich stand bereits am ersten Morgen Arbeit an. Zum einen galt es, den physiologischen Zustand und die Verteilung der Fischembryonen sowie die Wirkung von Toxinen, (Umwelt-)Giften auf sie zu erforschen.

Dieses „Monitoring“ wird seit Jahren vom IFO unternommen, um herauszufinden, welche Arten darin vorkommen und in welchem Zustand sie sich befinden, also ob irgendeine Schädigung vorliegt. Aber auch die Verteilung des Phytoplanktons, also des pflanzlichen Planktons, und die Physikalische Ozeanographie stehen auf dem Programm. Hierzu werden Temperatur, Salzgehalt und Dichte von der Wasseroberfläche bis kurz über dem Meeresboden bestimmt. Fragen, die es zu beantworten gilt, lauten unter anderem: Wie wirkt sich die alljährlich wiederkehrende winterliche Ozonverminderung über der Nordhalbkugel auf das Leben im Meer aus? Wie können menschenbedingte (anthropogene) Kontaminationen, die über die Flüsse in das Meer geleitet werden, wieder entfernt werden? Gerade bei letzterem wird die Hilfe von Mikroorganismen benötigt, die auch im vorsorgenden Umweltschutz eine große Rolle spielen.

„Wir versuchen, Produkte herzustellen, die die Umwelt erst gar nicht belasten,“ erklärt Marcus Baumann, „Insektizide und Herbizide sind oft persistent, also nicht biologisch abbaubar.“ Diese reichern sich deshalb in der Nahrungskette an. „Es gibt Algen, die entwickeln hochwirksame Toxine, die nach etwa 24 Stunden wieder abgebaut sind.“ Für diese Gifte interessiert sich der Wissenschaftler. Er versucht sie zu identifizieren, zu isolieren, zu produzieren und Applikationen, Anwendungsbereiche, für sie zu finden.
Die Forschungsreise endete am 9. März in Bremerhaven. Jetzt heißt es, die Ergebnisse der Reise in den heimischen Labors auszuwerten.

Mehr über die Forschung an der Fachhochschule Aachen, Abteilung Jülich


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