Landwirt Flatten
Familienbetrieb für die Zukunft gerüstet
Von David Merz [05.07.2016, 11.14 Uhr]
Das Gut Waldeck ist der Hof von Familie Flatten. Für die derzeit rund 130 Kühe wurde ein neuer Stall gebaut, inklusive modernster Robotertechnik. Mit diesem Ausbau will er den Familienbetrieb fit für die 19. Generation machen – auch in Zeiten der niedrigen Milchpreise.
Marc Flatten ist Landwirt in 18. Generation. Einst bei Inden beheimatet und durch den Tagebau verdrängt, liegt der jetzige Hof seit rund 25 Jahren am östlichen Ortseingang von Koslar. Nun steht seit einigen Wochen ein neuer Stall auf dem Gut. Größer und moderner, mit Melkrobotern und einem großen Luftvolumen sowie mehr Platz für das einzelne Tier.
Derzeit befinden sich rund 130 Tiere im Bestand. Der neue Stall böte aber den Platz, um auf bis zu 180 Kühe aufzustocken, und dann hätte ein einzelnes Tier immer noch rund drei Quadratmeter mehr Platz als im alten Gebäude. Marc Flatten besteht darauf, keine Massentierhaltung zu betreiben: „Die Tiere sind unsere Existenz.“ Allein schon deswegen sieht der Landwirt keinen Grund, die Rinder schlecht zu behandeln. Das Tierwohl habe für ihn daher einen hohen Stellenwert.
Der Ausbau des Hofes fällt mitten in eine Milchpreiskrise. Viele Betriebe schließen. Marc Flatten hingegen erweiterte, hofft, so besser am Markt bestehen zu können. Durch die Melkroboter etwa brauche er weniger Personal, das ohnehin kaum zu finden ist. Die Automatisierung bringt dazu mehr Flexibilität in den Alltag auf den Hof des Vaters zweier Kinder. Es gibt keine festen Zeiten mehr für das Melken. Mindestens zweimal täglich wird jede Kuh gemolken.
Früher bedeutete das, morgens und abends zu festen Zeiten für zwei oder drei Stunden im Stall stehen. Jetzt gehen die Kühe individuell und selbstständig durch die Roboteranlage. Ist die Zeit seit der letzten Melkung bei einem Tier noch zu kurz, lässt die Anlage die Kuh einfach weiter gehen. Ist ein Tier noch nicht gemolken worden, meldet sich das Computersystem bei den Mitarbeitern des Hofes, und die Kuh muss zur Melkanlage getrieben werden,
Der Zeitpunkt des Ausbaus war kein Zufall. Unter anderem hat der Fall der Milchquote im vergangenen Jahr den Ausbau begünstigt. Während andere Kollegen die Rückkehr zur Quote fordern würden, sei dies aus Flattens Sicht nicht sinnvoll. Die Quote habe 30 Jahre lang nicht den gewünschten Effekt - die Regulierung des Milchpreises zu Gunsten der Landwirte - gebracht. Stattdessen habe sie die Weiterentwicklung expansionswilliger Betriebe ausgebremst, da für jedes weitere Tier Quotenanteile eingekauft werden mussten.
Im Gespräch über die aktuelle Situation am Markt machte Marc Flatten seine Position deutlich: Die von Landwirtschaftsminister Schmidt vorgeschlagene Soforthilfe hält er wie die Vertreter der Landwirte beim Milchgipfel auch für unpassend. Sie würde keinen nachhaltigen Nutzen haben.
Stattdessen stellt Flatten die „geiz-ist-geil“-Mentalität vieler Menschen in Frage. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel am Monatsgehalt sei in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter gesunken, auch weil die EU die Herstellung von Lebensmitteln stark subventioniere. Die Menschen hätten sich so an hohe Qualität bei niedrigen Preisen gewöhnt – zu Lasten der Produzenten.
Der Landwirt stellte als Alternative einen EU-weiten Lebensmittelzuschuss für alle Menschen in den Raum, wodurch die Lebensmittelpreise steigen würden, die Menschen dafür aber mehr Geld zur Verfügung hätten. Denn ein Problem der Subventionen ist auch: Sie werden pauschal nach Fläche des Betriebes verteilt, ein steigender Lebensmittelpreis käme hingegen allen Produzenten gleichermaßen zu Gute, da höhere Preise für Betriebe aller Größenordnungen Verbesserungen bringen würden.
„Viele Menschen laufen blind für ihr Umfeld durch die Welt“, fasst Flatten ein immer wiederkehrendes Problem zusammen. Zu viele Menschen wüssten nur wenig über die Landwirtschaft. Besonders „erschreckend“ sind die Aussagen mancher Kinder, die mit ihren Klassen zu Besuch kämen. Für eine ländliche Region würden viele von ihnen überraschend wenig über Milchproduktion und Landwirtschaft im allgemeinen wissen.
Um ein Bewusstsein für die Bedingungen in einem modernen Betrieb, aber auch die realistischen Preise von Milch zu schaffen, steht auf dem Gut Waldeck ein Milchautomat, an dem Rohmilch aus dem Betrieb verkauft wird. „Unser Tor steht grundsätzlich immer offen,“ erklärt Flatten. Wer sich für die Produktion von Milch interessiert, könne einfach reinschauen.
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