Zur "Woche für das Leben"

"Würde" – auch eine Frage der Lebenseinstellung
Von Dorothée Schenk [12.04.2016, 08.17 Uhr]

Derzeit wird die "Woche für das Leben" gefeiert. Diesmal lautet das Thema "Altern in Würde". Was heißt das eigentlich für den Einzelnen? Heino Bücher, Jülicher Urgestein, Muttkraat und Wächter über die Mundart, bis vor kurzem noch für die KG Ulk in der "Bütt" und als Seniorchef des Familienunternehmens noch als "Außenminister" in Aktion, hat sich mit dem "JüLicht" einige Gedanken dazu gemacht.

Selbstbestimmung in den eigenen vier Wänden ist ein großes Stück Würde für Heino Bücher.

Selbstbestimmung in den eigenen vier Wänden ist ein großes Stück Würde für Heino Bücher.

Was ist für Sie die Definition von „Würde“?

Heino Bücher: Ich will mal so sagen – was es nicht ist... Früher war es eigentlich üblich, dass die alten Menschen in der Familie waren. Auf alten Höfen da gab es das Altenteil. Und die Alten waren bis zu ihrem Ende in der Familie integriert. Durften, wenn es ihnen möglich war, hier und da mit anpacken. Aber sie waren immer gut aufgehoben und versorgt. Heute ist es so: Viele, fast die meisten alten Menschen – ich sage es jetzt mal hart – werden abgeschoben. Man steckt sie in ein Altenheim. Und die Altenheime sind in ihrer Qualität sehr unterschiedlich. Und da ist es unwürdig, wie sie leben müssen und behandelt werden. Dabei meine ich, wäre es die Lösung, im Haus – wenn es möglich ist – eine Pflege zu bekommen, in den vertrauten vier Wänden.

Was ist für Sie am Alter das Schwierigste? Gibt es auch etwas, dass Ihnen Freude macht?

Heino Bücher: Wenn man die richtige Einstellung hat, ist es kein Problem. Eine Voraussetzung ist, dass man mit dem Ehepartner möglichst lange zusammenbleibt. Man sollte sich aber auch Gedanken darüber machen, wenn man mal übrig bleibt: Was kannste tun? Man sollte ein Hobby haben, damit der Tag auch ausgefüllt ist, und man nicht in einer Ecke sitzt und Trübsal bläst. Wer noch körperlich fit ist, kann sich ein bisschen sportlich betätigen oder Rad fahren.

Oder wie Sie es tun, Mundart pflegen…

Heino Bücher: Das mache ich nach wie vor mit Begeisterung. In die „Bütt“ gehe ich nicht mehr. Wenn ich mir heute das Publikum betrachte, das sind meist junge Leute, und ob die sich noch meinen Verzäll anhören möchten… weiß ich nicht. Und es war bisher immer gut, da hab ich gesagt, ich höre auf, wenn es gut ist, nicht wenn Du ausgepfiffen wirst. 33 Jahre sind genug.

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Gartenarbeit geht immer noch… aber "hösch"

Gartenarbeit geht immer noch… aber "hösch"

Da sind Sie ja auch gewürdigt worden. Würde hat auch immer etwas mit Anerkennung zu tun.

Heino Bücher: Ein zweiter Punkt wäre, dass man Freunde hat. Einen Freundeskreis, den man von Jung an pflegt, den sollte man gerade im Alter pflegen, wo man sich mal treffen kann, einen trinkt, einmal essen geht. Ein Mensch im Alter, wenn er einsam ist, ist ein Armer. Einsamkeit ist wahrscheinlich das Schlimmste, was einem passieren kann. Und deswegen sollte man früh genug die Weichen stellen. Man sollte gut vorsorgen im Sinne einer Lebensperspektive über die Berufstätigkeit hinaus, und wenn man ganz viel Glück hat, wenn man weiter eingebunden bleibt in die Familie.

In dieser Weise haben Sie Ihr Feld gut bestellt.

Heino Bücher: Ich geh ja auch noch ins Geschäft. Ich bin jetzt 80 und hab immer noch ein was tun. Und wenn ich nur ein bisschen im Lager aufräume und kehre. Da sagen die Kinder immer, das ist der Außenminister, der ist für außen zuständig. Das ist wichtig. Langeweile kenne ich nicht.

Welche Einschränkungen spüren Sie?

Heino Bücher: Ich kann nicht mehr so wie in jungen Jahren im Garten arbeiten, der ja auch mein Hobby ist, da muss ich schon mal ein Päuschen machen. Ich bin zwar Diabetiker, aber damit kann man leben, wenn man sich darauf einstellt. Die Krankheit erfordert auch Bewegung so dass ich mit meiner Frau jeden Tag ein bis zwei Stunden an der Rur wandern gehe. Über die Dinge, wenn es nicht mehr so geht, habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich verdränge das auch ein wenig. Watt kütt, datt kütt.

Was heißt für Sie in Würde sterben?

Heino Bücher: Hospize – ich denke, dass es eine gute Sache ist, dass Menschen nicht alleine sind, wenn sie sterben. Man guckt ja normalerweise, dass die Familie zusammen ist. Wenn ich höre: "Wir waren nicht dabei, aber Gott sei Dank, jetzt ist er erlöst", dann krieg ich so einen Hals. Ich frag mich dann immer: Wisst Ihr eigentlich, was Ihr da gemacht habt? Keine Zeit, einem Sterbenden mal beizustehen? Oder dabeizusein? Auch in Würde sterben dürfen, dass ist wichtig.


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