Preis für Zivilcourage an Dr. Wolfgang Clement

Verpflichtung auch ohne Amt
Von Dorothée Schenk [04.02.2016, 08.59 Uhr]

„Sie machen mich sehr verlegen. Ich kann so viel Ehre gar nicht aushalten“ , sagte bescheiden der Träger des Preis für Zivilcourage und Solidarität 2016, Dr. Wolfgang Clement. Der NRW-Ministerpräsident a.D. ist in Jülich seit der Übernahme seiner Schirmherrschaft für das Mahnmal der im NS-Regime ermordeten Menschen jüdischen Glaubens aus dem Jülicher Land vor 16 Jahren ein immer wieder gern gesehener Gast.

Preisübergabe mit Vorstand und Kuratorium an Dr. Wolfgang Clement.

Preisübergabe mit Vorstand und Kuratorium an Dr. Wolfgang Clement.

Dass Clement auch nach der Aufgabe der politischen Ämter die Schirmherrschaft weiter ernst nahm, sei ein Zeichen, dass es dem Preisträger stets um die Sache gehe und „was er aus Überzeugung gemacht hat, führt er auch ohne Amt fort.“ So formulierte es sein Laudator und Freund, der frühere Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch. Immer hätte der Ministerpräsident gefordert, dass die Politik und Politiker zu den Menschen kämen - so auch zur Kabinettsitzung nach Jülich, wo die damals junge Jülicher Gesellschaft in Person von Gabriele Spelthahn und Dr. Peter Nieveler dem damaligen Landesvater die Schirmherrschaft antrugen. "Er hat das kurz im Kopf durchdekliniert", erzählt Adamowitsch und hätte dann entschieden.

Auch gegen Widerstände im eigenen Kabinett habe Clement seine Überzeugungen durchgefochten, auch wenn es unbequem war. Wie den Staatsvertrag zwischen dem Land NRW und den jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Er wurde sogar gesetzlich verankert, damit jüdische Mitbürger sicher und vertrauensvoll leben können.

In seiner Rede dankte Dr. Clement der Jülicher Gesellschaft für die stete ehrenamtliche Aufklärungsarbeit, den Menschen einen Namen und Gedenken zu geben und dem Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten.

In seinem Begrüßungsworten hatte sich Bürgermeister Axel Fuchs nicht nur als „Fan“ des Preisträgers zu erkennen gegeben, sondern betont: „Jeder Einzelne muss sich für die Freiheit einsetzen.“ Das Mahnmal stehe mitten in Jülich, mitten im Weg und zwinge so zur Erinnerung. Hier knüpfte auch Dr. Clement an: „Freiheit ist das kostbarste Gut unseres Landes“ und erfordere das Mittun aller. Gleichzeitig unterstrich er, dass

Freiheit auch verlässliche Sicherheit unterstützt vom Staat bräuchte. Er stellte die Frage in den Raum , ob angesichts von Hetze und Beleidigung im Alltag, der Bewachung von jüdischen Schulen und Synagogen und zweifelhaften Richtersprüche - Beispiel war eine Bewährungsstrafe für die Brandstiftung an der Synagoge durch Palästinenser – Juden in Deutschland noch sicher seien.

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Der Preisträger Clement (l) und sein Laudator Georg Wilhelm Adamowitsch

Der Preisträger Clement (l) und sein Laudator Georg Wilhelm Adamowitsch

Das Gefühl der Bedrohung wüchse, auch durch den Zuzug von Muslime, obwohl er deutlich machte, dass die meisten in Deutschland Schutz suchten. Integration sei unabdingbar. Er beobachtet einen „Drift der politischen Diskussion nach rechts“. Gemeinsame europäische Belange würden zurückgedrängt. „Es gilt zu verhindern, dass rechtes Gedankengut nunmehr in die Mitte unseres Landes vorrückt. Dafür braucht es Mut, Kraft, Zivilcourage und Toleranz.“

Darum sei gerade heute das Engagement der Jülicher Gesellschaft unschätzbar wert. In Richtung der Vorsitzenden Gabriele Spelthahn und ihres Vorstandes des Jülicher Gesellschaft sagte Dr. Clement: „Von Ihnen auszeichnet zu werden, ist eine Verpflichtung, der ich mir bewusst bin – und falls ich es vergesse, wird mich meine Frau daran erinnern. Darum habe ich sie mitgebracht.“

Neben dem Hauptpreisträger Dr. Wolfgang Clement wurde Sozialarbeiter Rolf Sylvester ausgezeichnet, der – zuständig für die Offene Jugendarbeit der Gemeinde Titz –, regelmäßig mit seinem Jülicher Kollegen Tobias Storms mit Jugendlichen nach Auschwitz fährt. Sylvester erzählt von einem Teich vor dem ehemaligen KZ, in dem Asche schwimme. Wenn man die Finger hineintauche und dann die Wassertropfen zwischen den Fingern reibe, blieben weiße Partikel übrig. Sichtbar erschüttert schilderte Sylvester dieses Erlebnis und formulierte: "Erinnerung werden geschaffen durch unvergessliche Eindrücke." Darum sei es so wichtig, dass man mit Jugendlichen immer wieder die Fahrten unternehme und das Erinnern wach halte. Die nächste Fahrt wird vom 18. bis 25. März angeboten. Neben Besichtigungen der Lager und Workshops steht auch ein Gespräch mit einem Zeitzeugen auf dem Programm. Zudem sind die gemeinsame Freizeitgestaltung und ein Ausflug nach Krakau ebenso Bestandteil der Fahrt. (Weitere Informationen sowie Anmeldungen sind für Titz unter 0174-3866007, Email: rsylvester@gemeinde-titz.de, für Jülich unter 02461-1325, Email: b.haus@evkg-juelich.de erhältlich.)

Als Gruppe ausgezeichnet wurden Aldenhovener Pfarrer Charles Cervigne und seine 25-köpfige Konfirmandengruppe, das Künstlerpaar Monika und Rolf Müller aus Hasselsweiler für einen Mal-Workshop zum Thema Holocaust/Shoah, Das Projekt „Refugees welcome to Jülich“ der Oberstufe vom Gymnasium Haus Overbach und Koordinationslehrer Marco Maria Emunds, sowie die Projektarbeit der Jahrgangsstufe Q2 zum Thema Judentum und ihre Lehrerin Klaudia Janta. Ehrungen erhielten SChüler GHS Ruraue für die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht mit ihrem Lehrer Ralph Loevenich und Neuntklässler des Gymnasiums Haus Overbach mit Lehrerin Cordula Trauner, die sich im Kurs Religion mit jüdischem Leben in Jülich zur Nazizeit, Widerstand und Leben von Juden im Dritten Reich sowie mit Sophie Scholl beschäftigt haben.

„Wenn ich in all diese Gesichter sehe, bin ich sehr hoffnungsfroh“, sagte Vereinsvorsitzende Gabriele Spelthahn. „Tragt es weiter in euren Herzen und kämpft für die Demokratie.“

Bilder von der Preisverleihung


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