Bürger-Einwand gegen Jülicher Haushalt

Stühle und WCs gestrichen - weniger Steuererhöhung
Von Dorothée Schenk [29.06.2015, 08.16 Uhr]

Wegen zu wenig Eigeninitiative der Brückenkopf-Park GmbH kritisierte ein Bürger den geplanten Zuschuss von 600.000 Euro.

Wegen zu wenig Eigeninitiative der Brückenkopf-Park GmbH kritisierte ein Bürger den geplanten Zuschuss von 600.000 Euro.

Es waren die kürzesten Haushaltsberatungen seit 23 Jahren, sagte Peter Capellmann (CDU) in seiner Haushaltsrede während der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause. Das hat Gründe: Viel Spielraum besteht im „Jahr 12“ des Haushaltssicherungskonzeptes nicht mehr. Dennoch ist es gelungen, die Steuersätze nicht in der von der Verwaltung vorgesehen Höhe anzuheben. Genehmigt wurde der Haushalt 2015 letztlich mit den Stimmen der Großen Koalition SPD/CDU und der Grünen. Dagegen stimmten FDP und die UWG JÜL.

Vorab die Zahlen: Das Haushaltsdefizit beträgt 16,7 Millionen Euro. Den Erträgen von 73,8 Millionen Euro stehen Aufwendungen von rund 90,5 Millionen Euro gegenüber. Bis 2023, so steht es geschrieben, soll ein Ausgleich erreicht werden. Tiefer in die Tasche greifen müssen sowohl Grundstücksbesitzer als auch Hausbesitzer: Die Grundsteuer A steigt auf 297 Prozent; die Grundsteuer B auf 517 Prozent. Um fast 50 Prozent weniger als vorgesehen wird die Gewerbesteuer angehoben: Sie steigt auf 497 Prozent.

Dass die Steuerhöhungen nicht so gravierend ausfielen wie von der Verwaltung vorgeschlagen, liegt an der Kürzung bei den Ausgaben: 5000 Euro werden beispielsweise beim Brückenkopf-Park gespart, die Sanierung der Kellertoiletten im Kulturbahnhof für 25.000 Euro wurden ersatzlos gestrichen, gespart wird auch bei Dienstreisen, Baumfällungen und an Umbaumaßnahmen bei den Umzügen der Kulturbetriebe in die Realschule. In der Schlosskapelle gibt es vorerst keine neuen Stühle und die ehemalige „Deutsche Welle“ auf der Merscher Höhe, die ursprünglich als Flüchtlichsunterkunft dienen sollte, wird ebenfalls nicht umgebaut. Die Flüchtlinge sollen, so berichtet die Lokalpresse aus dem nicht-öffentlichen Teil der Stadtratssitzung, im einstigen Kreiswehrersatzamt an der Neusser Straße ein erstes Zuhause finden.

Der Haushalt 2015 kann erst verabschiedet werden, wenn der Jahresabschluss 2012 durch die Rechnungsprüfung abgesegnet ist. Erst im Herbst sei daher mit der Genehmigung des Haushaltes 2015 zu rechnen. Eben aus diesem Grund kritisiert die FDP die Verabschiedung des Haushaltes vor der Sommerpause. Eine genauere Prüfung der einzelnen Haushaltsstellen hätte gegebenenfalls weitere Einsparpotentiale sichtbar gemacht. In seiner Eröffnung hielt FDP-Fraktionschef Clemens Schüssler, der als Vertreter der „kleinsten“ Fraktion das Schlusslicht bei den Haushaltsreden markierte, kurz inne und meinte treffend: „Willkommen im Wahlkampf!“ und bestätigte damit Peter Capellmann (CDU), der sagte, der Haushalt würde durch die strategischen Verhaltensweisen in der anstehende Bürgermeisterwahl bestimmt.

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Auf unabsehbare Zeit müssen die Schlosskapellen-Nutzer mit dem vorhandenen Mobiliar Vorlieb nehmen. Eine Neuanschaffung wurde gestrichen.

Auf unabsehbare Zeit müssen die Schlosskapellen-Nutzer mit dem vorhandenen Mobiliar Vorlieb nehmen. Eine Neuanschaffung wurde gestrichen.

Obwohl wenig Jülicher Publikum im großen Sitzungssaal des Neuen Rathauses dem Vortrag der Haushaltsreden folgten, sparten die politischen Vertreter – die nach der Größe ihrer Fraktion Rederecht haben – nicht am politischen Schlagabtausch und verbalen Tiefschlägen. Im ersten Aufschlag trat als Vertreter der Mehrheitspartei CDU Peter Capellmann ans Rednerpult. Auf die scharfen Attacken gegen die JÜL ging Heinz Frey (JÜL) wenig ein, beschränkte sich vor seinen Ausführungen zum Haushalt auf die Äußerung: „Das Schöne an der Demokratie ist, dass wir völlig unterschiedliche Meinungen vortragen dürfen. Darauf sollten wir stolz sein.“

Einen kritischen Nachschlag erteilte allerdings im Anschluss Harald Garding (SPD), der seine vorbereitete Rede ad acta legte und eine gezielte Gegenrede an Heinz Frey richtete, die in dem Vorwurf gipfelte und „das von jemandem, der sich anschickt, sich um das verantwortungsvollste Amt dieser Stadt zu bewerben.“ Gemäßigter stieg Jürgen Laufs (Grüne) ein, der für Amüsement sorgte, als er etwas frühzeitig mit Dank versehen Bürgermeister Heinrich Stommel in seiner letzten Ratssitzung verabschieden wollte. Tatsächlich wird der scheidende Bürgermeister aber noch am 1. Oktober an der Ratssitzung teilnimmt, bei der der neue Bürgermeister vereidigt wird. Letztlich zur Sachlichkeit zurückkehrte nach dem zitierten Eingangssatz Clemens Schüssler für die FDP.

Diese Haushaltsreden waren aber nicht das einzig bemerkenswerte bei der Einbringung des Haushaltes 2015. Erstmals seit vielen Jahren hat es einen Bürger-Einwand gegeben. Gerichtet hatte sich der Einwand gegen den 600.000-Euro-Zuschuss für den Brückenkopf-Park, der 100prozentigen Tochter der Stadt Jülich. Der Bürger findet, dass weder Auftritt noch Bürgerfreundlichkeit den Zuschuss rechtfertigen, dass der Park konzeptlos ist und keine Einnahmen generiert. Daher kritisiert er den Zuschuss und fordert eine Reduzierung. Die Verwaltung lehnte diesen Einwand ab, da seit 1998 der Brückenkopf-Park im Rahmen des Stadtentwicklungsprogramms und der Landesgartenschau entstanden wäre.

Auch wenn Bündnis 90/Grüne diese Ablehnung mittragen, sparten Dr. Lutz Baumgarten und Jürgen Laufs nicht mit Kritik etwa an der doppelten Geschäftsführung und dem mangelnden Veranstaltungskonzept.

Der Einwand wurde abgelehnt, der Hebesatz beschlossen und der Haushalt auf den Weg gebracht.


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