Festakt zu 20 Jahre Frauenberatungsstelle

Jülich: Viel Frau, viel Feind, viel Ehr
Von Dorothée Schenk [25.05.2007, 13.34 Uhr]

Durch den Abend führte eine Frau der ersten Stunde: Kirsten Müller-Lehnen.

Durch den Abend führte eine Frau der ersten Stunde: Kirsten Müller-Lehnen.

Viel Frau, viel Feind, viel Ehr – so könnte die Kurzformel zum 20-jährigen Bestehen der Frauenberatungsstelle Jülich lauten. Im Kulturbahnhof feierten sich Gründerinnen, Aktive und Begleiterinnen in einem kleinen Festakt, der durchaus nicht nur geprägt war von jubilierenden Klängen des Erfolgs. Viel Nachdenkliches zu den Veränderungen seit 1987 war zu hören. Ehrenvorsitzende Doris Thom-Capellmann schilderte eindringlich, wie erschüttert sie als damals angehende Anwältin in ihrer Referendarsausbildung bei der Kölner Staatsanwaltschaft war, als sie das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und Kinder kennenlernte. Spontan erklärte die Jülicherin ihren Beitritt zum eben gegründeten Verein „Frauen helfen Frauen“ und die Mitarbeit in der vereinsgeführten Frauenberatungsstelle. Seither begleitet sie – inzwischen als Beisitzerin – Verein und Beratungsstelle.

Gewachsen ist die Idee aus einer Arbeitsgruppe, die sich 1987 mit häuslicher Gewalt, Trennung und sexualisierter Gewalt beschäftigte. Die zentrale Figur war Brigitte Habig. Aus der Überzeugung heraus, wie die Moderatorin Kirsten Müller-Lehnen erklärte „das Private ist politisch“ war schnell klar: Ein Verein muss her. Und ebenso deutlich wurde: Es reicht nicht, Frau zu sein, Fachfrauen waren gefragt.

Zu diesen gehörten auch die Juristin Doris Thom-Capellmann sowie Dagmar Ahrens, die die erste Vollzeitstelle bei „Frauen helfen Frauen“ zur Beratung von Essstörungen erhielt. 1992 kam die zweite Stelle hinzu. Da gab es dann Förderungen nicht nur von der Stadt, sondern auch vom Land NRW. Der Kreis Düren tat sein Scheffel 1997 dazu und sorgte erstmals für finanzielle Sicherheit der Beratungsstelle. Das Glück währte vier Jahre. Mit einer Gesetzesänderung konnte die Bürokraft nicht mehr öffentlich gefördert werden und seither schultert die Quadriga der Frauenberatungsstelle, die inzwischen besetzt ist mit Hildegard Backhove, Maria Brenner, Dagmar Ahrens und Helga Ronda, die Verwaltungsarbeit zusätzlich zur Beratungstätigkeit.

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Eine Rose, ist eine Rose… die gab es für Wegbegleiterinnen von "Frauen helfen Frauen"

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Hildegard Backhove übernahm im Anschluss, die Veränderungen in der praktischen Arbeit vorzustellen. Männer sind in der Beratungsstelle immer noch tabu. Nur in Ausnahmefällen erhalten sie Zutritt. Aufrecht erklärt die diplomierte Sozialarbeiterin und Psychologin die Bedeutung der „feministischen Grundhaltung in Beratung und Therapie“. Mit dem Schutzgesetz kam as juristische Fundament zur Verfolgung von Gewalt, so dass sich eine engere Zusammenarbeit mit der Polizei etablierte. Damit änderte sich auch die Struktur: Der erste Kontakt ging nicht mehr automatisch von den Frauen aus, sondern auch von den Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle. Ein Dorn im Auge ist Hildegard Backhove, das die Lesbenberatung aus der öffentlichen Förderung herausgenommen ist. Zwar habe sich rechtlich auch hier etwas getan, aber der Schritt sei für viele Frauen eben doch noch ein gesellschaftlich schwieriger.

Mit Annett Louisan sagte es unter anderem die Frauenband „Belle Chaos“ zum Fest: „Hier zu eng, da zu streng, irgendwo kneift es mich, zu skurril, nicht mein Stil, das Geführl steht mir nicht.“ Das Quartett, das krankheitsbedingt als Trio auf der Bühne des Kulturbahnhofs stand, brachte musikalisch typische Frauen-Musik mit Durchhaltecharakter von Ina Deter, Rosenstolz und eben Annett Louisan zwischen Reden und Rosen zum Ausdruck. Eine Rose erhielten alle Damen mit „Frauen helfen Frauen“-Vergangenheit und Zukunft, wie Elke Ricken-Melchers, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Düren und ihr Pendant in der Stadt Jülich, Katarina Esser. Sie vertrat Bürgermeister Stommels statt, der zur gleichen Zeit die Haushalts-Verabschiedung 2007 im Stadtrat führte. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass in diesem Jahr in den freiwilligen Ausgaben der Stadt wieder 11.520 Euro als Zuschuss für den Verein "Frauen helfen Frauen" verabschiedet wurden. Auch das wäre einmal einen seperaten Dank Wert gewesen, der bei allen Lobeshymnen ausblieb.

In einer hervorragenden Rede rückte sie Arbeit in Jülich in den bundesweiten Kontext gesetzlicher und gesellschaftlich veränderter Rahmenbedingen in den vergangenen 20 Jahren. „Ich habe die Sorge dass wir uns mit Gewalt abfinden,“ erklärte sie wörtlich und gab den Frauen abschließend ein Zitat von Alice Schwarzer mit auf den Weg: „Um gar keinen Preis möchte ich die manchmal recht dünne Luft der Konfrontation wieder eintauschen gegen das Stickige des Sich-Einreihens, des Sich-Beugens.“ In diesem Sinne, sei mit Frauen helfen Frauen sicher zu rechnen.

Lesen Sie hierzu:
Jülicher Frauenberaterinnen meinen: „Geht doch!“


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