Einstimmiges Votum
Schulterschluss für Jülichs Haushalt 2016
Von Dorothée Schenk [08.07.2016, 19.16 Uhr]
Eigentlich gibt es im aktuellen Haushalt der Stadt Jülich wenig zu diskutieren. Durch das Haushaltssicherungskonzept bis 2023, die Deckelung bei den freiwilligen Ausgaben und einem Defizit von fast 9 Millionen Euro ist die flexible „Masse“ begrenzt. Dennoch gab es letztlich ein einstimmiges Votum für den Haushalt. „Das hat es in den letzten Jahren meines Wissens nach nicht gegeben“, freute sich Bürgermeister Axel Fuchs über das Abstimmungsergebnis.
Zur Formalitäten der Haushaltsverabschiedung gehören auch die Reden der politischen Vertreter in der Reihenfolge ihrer Fraktionsstärke im Rat. Als Peter Capellmann für die CDU schon am Rednerpult stand, sorgten die Grünen noch einmal für eine Verzögerung, weil sie den Tagesordnungspunkt 11 zur Hebesatzsatzung vorziehen wollten. Da setzte sich der CDU-Fraktionschef noch einmal.
Axel Fuchs hatte bereits beim Stadtgespräch gesagt, dass er für eine Anhebung der Grundsteuer sei - die für die Hausbesitzer mit einer Mehrbelastung zwischen 30 und 40 Euro im Jahr belastet ist - und eine Einfrierung der Gewerbesteuer. So lautete auch in der Folge die Verwaltungsvorlage in den Haushaltsberatungen - und fand nicht die Mehrheit der Fraktionen.
Im Haupt- und Finanzausschuss hatte Lutz Baumgarten bereits bezweifelt, dass eine unveränderte Gewerbesteuer Vertrauen bei Investoren schaffen werde, "wenn es eine Eintagsfliege wäre". Ähnlich sah es auch Peter Capellmann, der meinte, dass Ansiedlungswillige sich nicht nur den aktuellen Haushalt angucken würden, sondern das Haushaltssicherungskonzept als Ganzes.
Jürgen Laufs (Grüne) kritisierte, dass der Eindruck erweckt würde, die Stadt hätte die Einnahmen aus der Gewerbesteuer nicht nötig. Die Steuereinnahmen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden und der Eindruck erweckt werden, man nehme etwas aus dem Bürgerportemonnaie weg und schone das Gewerbe. "Wir müssen den Umschwenk hinbekommen", sagte Laufs.
Capellmann erwiderte, es gehe nicht darum, Steuerarten gegeneinander auszuspielen. Seiner Ansicht nach sollten die Gewerbesteuer eingefroren werden wenn die Ansiedlungen auf dem Campus Merscher Höhe bevorständen, denn im HSK sei eine Erhöhung der Steuern ohnehin unausweichlich. "Es ist besser, wenn die Sätze gestiegen sind und wir frieren sie auf hohem Niveau ein, um dem Gewerbegebiet gut zu tun." Das Anheben beider Steuersätze zum aktuellen Zeitpunkt hält Capellmann für sozial gerecht. Die Anhebung träfe alle und alle würden gleichmäßig belastet.
Axel Fuchs legte Wert auf die Feststellung, dass der geänderte Entwurf nicht der Vorschlag der Verwaltung sei, sondern die Beschlüsse der Politik umgesetzt wären. Der Auftrag an die Verwaltung sei gewesen, die Hebesatzsätze so anzusetzen, dass alle gleich belastet würden und die Rechnung einnahmeneutral sein sollte. Er unterstrich: "Ich bleibe mir treu und trotzdem werde ich dem Haushalt zustimmen." Er sei der Meinung, wenn heute ein Zeichen gesetzt worden wäre für das Gewerbe, wäre das gut für die Zukunft.
Clemens Schüssler stimmte für die FDP dem Ansatz des Bürgermeisters zu erklärte aber ebenso: "Auch wir werden trotzdem dem Haushalt zustimmen."
Letztlich wurden die Vorlage der Verwaltung mit 18 ja-Stimmen, elf Nein-Stimmen und einer Enthaltung beschlossen.
Nach der Abstimmung trat Peter Capellmann* zum zweiten Mal ans Rednerpult und blieb. "Wieder waren diese Haushaltsberatungen die kürzesten, seitdem ich im Stadtrat bin. Sie waren sogar noch kürzer, als die im letzten Jahr. Das ist aber durchaus nicht nur positiv", stieg der CDU-Frontmann in seine Betrachtungen ein und unterstrich die geringer werdenden Gestaltungsmöglichkeiten. Der Jülicher Haushalt – mit einem Haushaltsvolumen von etwa 100 Millionen Euro, freiwillige Leistungen von 2,5 Millionen Euro und einem zu erwartenden Fehlbetrag von 9 bis 10 Millionen Euro – ist vergleichbar desolat wie 90 Prozent der NRW-Haushalte. Nicht neu ist der Hinweis auf die Ursache: Wachsende Aufgaben und mangelhafte Ausstattung durch Land und Bund. "Dass Kommunen sich am eigenen Schopf befreien können, grenzt das an Träumerei", betonte Capellmann, denn auch bei Einsatz aller "Steuerungsmöglichkeiten" könnte nicht einmal der jährliche Fehlbetrag gedeckt werden.
Trotz Damoklesschwert gab Peter Capellmann Aussicht auf einen Lichtstreif am Horizont: Ein Loblied auf die Stadt Jülich erklang, denn Jülich wird – ziemlich einzigartig in der Region Aachen – laut Gutachten ein Bevölkerungswachstum prognostiziert. Der Grund: Kultur, Freizeit, schulisches Angebot, familienfreundliche Voraussetzungen durch Betreuungsplätze und Entwicklungsmöglichkeiten in Gewerbe sowie Haus- und Wohnungsbau stehen für Lebensqualität. Diese gelte es zu erhalten und dagegen spricht die Regentschaft des Rotstiftes.
Nicht die Stadt nahm Heinz Frey* (JÜL) ins Visier, sondern wie Peter Capellmann, sondern die überörtlichen Belastungen des Haushaltes der Stadt Jülich durch Bund und Land. Die Forderung: Eine Änderung des Gemeindefinanzierungsgesetz, die nach dem Wunsch der JÜL im Landtagswahlkampf Thema sein soll. Kritik gab es aber auch an den Mehrheitsfraktionen des Dürener Kreistages, die sich ebenfalls an dem Stadtsäckel bedienten. Als Beispiel nannte Frey das zusätzliche beitragsfreie Kindergartenjahr. Schließlich machte er die Umlageverbände wie WVER, Erftverband, KDVZ als Mit-Verursacher aus und das Neue Kommunale Finanzmanagement. Letztlich sparte Frey aber doch nicht an Kritik an den Sparmaßnahmen im Jülicher Haushalt, denn es „erkennt jeder, dass das niemals den Haushalt rettet“. Gemeint sind die gestrichenen Zuschüsse für Tanzsport-vereine, anerkannte Jugendgruppen, Ferienhilfswerk. Sein Credo: „Es muss sich was ändern“ aber schließlich endete Frey fast versöhnlich „Wir sind sicher, dass unser neuer Bürgermeister all diese Dinge angehen wird. Wir werden ihn dabei unterstützen. Und vor allem auch deswegen stimmen wir, die UWG-JÜL, dem Haushalt in diesem Jahr zu.“
Viel Einigkeit herrscht signalisierte in diesen Punkten Harald Garding* von der SPD. Dem Lob für die "lebens- und liebenswerte" Stadt Jülich folgte allerdings "Manöverkritik", wie er es nannte. Garding formulierte Bedenken, dass der Ernste der Lage noch nicht bei allen Beteiligten angekommen sein. Konkret nannte er den Antrag, drei Klassenräume für 600.000 Euro zu errichten oder 700.000 Euro für den Umzug des Stadtarchivs aufzuwenden. Letztlich seien andere Lösungen gefunden worden, aber das über solche Summen nachgedacht würde, findet der SPD-Chef bedenklich. Lösungen, davon zeigte er sich in seiner Haushaltsrede überzeugt, könnten aber nur gemeinsam vorangetrieben werden, sei es perspektivisch für den Brückenkopf-Park, bei den zu erwartenden Kosten zur besseren Ausstattung der Feuerwehr oder perspektivisch für den Haushalt. Fazit: "Wir stimmen dem Haushalt zu, weil wir letztendlich als Rat auch das Heft des Handelns in der Hand behalten wollen."
Den Fingerzeig in Richtung Land und Bund hält Jürgen Laufs* (Grüne) für zu kurz gefasst. „Die Stadt Jülich muss ihre Handlungsfähigkeit erhalten, und dafür müssen wir dieses HSK verlassen. Je früher um so gerechter“ sagte er und stellte den „Generationsbeitrag“ in den Mittelpunkt seiner Rede, um unseren Kindern und Enkeln kein Schuldenhaus zu hinterlassen“. Die Kernpunkte der grünen Politik hob er noch einmal hervor und referierte die eingebrachten Anträge für Finanzen, Klima und Umwelt sowie die neuralgischen Punkt etwa Feuerwehr und IT-Ausstattung sowie Bürgerhallen. Hier sieht der Grünen-Chef die Ergebnisse am „runden Tisch“ als maßgeblich, auch wenn er launig meinte: „Bei all den Runden Tischen, sollte man Schreiner sein in Jülich, dann würde man recht viel Geld verdienen, wenn aus all den eckigen Tischen – runde Tische erstellen werden!“ Auch Laufs beschwor abschließend die Handlungsfähigkeit des Rates und forderte wirkliche Sparsamkeit und Einnahmesteigerung um das Defizit abzubauen und rechtzeitige Einbringung eines Haushaltsplans.
Gerade hier sieht Clemens Schüssler (FDP) eine deutliche Verbesserung: „Der Haushalt liegt nicht nur zur Verabschiedung vor, sondern kann durch die genehmigende Behörde auch direkt weiter bearbeitet werden, weil wir den Jahresabschluss 2013 ebenfalls heute beschlossen haben.“ Das erhöhe die Handlungsfähigkeit der Stadt erheblich und er äußerte die Hoffung, dass „wir zeitlich aufholen und absehbar ist, dass wir den Zeitpunkt erreichen, wo wir über den Jahresabschluss des Vorjahres entscheiden können.“ Kritisch setzte sich Schüssler mit den Vorhaben Brückenkopf-Park, und wünschte der Geschäftsführung „mehr Mut bei der Umsetzung von neuen Konzepten und warten gespannt auf die anstehenden Berichte im Stadtrat.“. An die Seite des Bürgermeisters stellte sich die FDP-Fraktion im Punkt Gewerbesteuererhöhung und unterstützt die Forderung nach einer gemeinsamen Resolution aller Ratsfraktionen an das Land, wie sie bereits Heinz Frey zitiert hatte.
Ein einhelliges Loblied gab es von allen Fraktionen für die Arbeit der Stadtverwaltung und der Kämmerei, bei der sich ausdrücklich alle politischen Vertreter für die ausgezeichnete Arbeit bedankten
* Die Haushaltsreden von CDU und SPD wurden mündlich vorgetragen und konnten daher nicht als Dokument hinterlegt werden.
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